Protokoll der Sitzung vom 22.02.2017

Die einkommensstärksten 10 % der Einkommensteuerpflichtigen – das sind nicht die Millionäre, sondern diejenigen, die Einkünfte von mehr als 70.000 € im Jahr haben – tragen 55 % des gesamten Einkommensteuervolumens, also mehr als die Hälfte.

(Zurufe von der LINKEN – Glockenzeichen des Prä- sidenten)

10 % tragen also mehr als die Hälfte, obwohl sie nur über etwas mehr als ein Drittel des gesamten Einkommens verfügen. Das heißt, sie tragen mehr als andere.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Man kann sich durchaus darüber streiten, ob die Last hoch genug ist. Aber zu behaupten, sie würden keine höhere Last tragen, widerspricht den Fakten.

(Beifall bei der CDU)

Ich bezweifele auch, dass eine Vermögensteuer mit einem eher überschaubaren Aufkommen angesichts von Gesamtsteuereinnahmen von mehr als 670 Milliarden € überhaupt eine Umverteilungswirkung erzeugen kann.

Diese Frage wurde übrigens von Wissenschaftlern auch bei der Anhörung der SPD-Landtagsfraktion am 24. Juni 2016 überwiegend verneint, insbesondere wenn man Betriebsvermögen verschonen würde. Wenn ich aber Betriebsvermögen einbeziehe, würde ich Unternehmen in ihrer Substanz gefährden und damit Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Wie ist das dann in den USA mit der Vermögensteuer? Sind da so viele Unternehmen gefährdet?)

Herr Schaus, lassen Sie mich einfach ausreden. Sie können sich ja später melden.

Bei der ganzen Diskussion spielt natürlich auch die Frage der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands eine wichtige Rolle. Wenn wir uns in anderen Ländern umschauen, dann fällt auf, dass es weltweit nur noch wenige Industriestaaten gibt, die eine Vermögensteuer erheben. Selbst Länder, die die Vermögensteuer einmal hatten, schafften sie ab, weil sich moderne Steuersysteme von den sogenannten „Sollertragsteuern“ gelöst und sich der konsequenteren Besteuerung von Erträgen aus Vermögenswerten hingewendet haben; denn ein Vermögenswert als solcher bringt mir nichts, wenn ich daraus keine Erträge schöpfen kann. Dies wird insbesondere deutlich – das weiß jeder von uns –, wenn ich heute auf ein Sparguthaben Vermögensteuer ansetze, da ich für das Kontoguthaben nahezu nichts bekomme oder sogar noch etwas draufzahlen muss.

Ein für mich sehr gewichtiges Argument gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer ist die Schädigung ertragsschwacher Unternehmen, vor allem des Mittelstands, und die zusätzliche Belastung für neu gegründete Unternehmen. Die ertragsunabhängige Ausgestaltung der Vermögensteuer würde insbesondere ertragsschwache Unternehmen treffen. Für Unternehmensneugründungen würde sich das schon bestehende Gründungsrisiko nochmals erhöhen, da die ertragsunabhängige Besteuerung nicht berücksichtigt, dass gerade junge Unternehmen in den ersten Jahren erfahrungsgemäß keine oder nur sehr geringe Erträge abwerfen. Auch die Finanzkrise hat uns gezeigt, wie wichtig eine stabile Eigenkapitalkraft von Unternehmen ist. Wenn ich aber das Eigenkapital als Vermögen besteuere, bestrafe ich diejenigen Unternehmen, die Eigenkapital aufgebaut haben, im Gegensatz zu denen, die sich überwiegend fremdfinanziert haben, da bei der Vermögensteuer Schulden in voller Höhe abzugsfähig wären. Auch das spricht gegen die Einführung der Vermögensteuer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zuletzt zu einem ganz praktischen Problem kommen. Um eine verfassungsgemäße Bewertung zu erreichen, muss ich sowohl das Kapital als auch das Sachvermögen fortlaufend mit dem Verkehrswert bewerten. Dazu gehört der Rembrandt im Wohnzimmer genauso wie die private Münzsammlung oder das Gold im Schließfach.

(Holger Bellino (CDU): Ja, alles!)

Das wäre ein immenser Verwaltungsaufwand. Dass bei diesem auch noch Vollzugsdefizite vorprogrammiert sind, wissen wir alle.

(Holger Bellino (CDU): Ja!)

Lassen Sie mich zum Schluss nochmals betonen: Die propagierte Umverteilungsfunktion wird die Vermögensteuer nicht erfüllen. Vielmehr würde sie insbesondere beim Mittelstand Arbeitsplätze gefährden, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland schwächen und zu einem kaum administrierbaren Aufwand führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Das Wort hat Frau Abg. Wissler, Fraktion DIE LINKE.

(Holger Bellino (CDU): Gibt es denn da überhaupt noch Redezeit, Herr Präsident?)

Ja, ich habe mich ja eben kurz gehalten. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich finde, dass hier eine Sache nicht unwidersprochen stehen bleiben kann – das hat der Minister auch ein paarmal gesagt –, und zwar ist es dieser Ausspruch: Starke Schultern tragen doch eh schon die größten Lasten. – Sie schauen sich dann immer den Anteil der starken Schultern am Lohnsteueraufkommen an. Ich finde, das ist wirklich eine falsche Darstellung. Sie wissen, dass der größte Anteil der Steuern durch indirekte Steuern erbracht wird, durch die Umsatzsteuer. Diese zahlen eben nicht nur die stärksten Schultern.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie diese jetzt noch nach Einkommen staffeln, oder wie?)

Die Einkommensteuer macht ungefähr 34 oder 35 % des Gesamtsteueraufkommens aus. Die Körperschaftsteuer macht 2 % aus, die Gewerbesteuer ungefähr noch einmal 7 bis 8 %. Deswegen, finde ich, muss man sich schon einmal das Gesamtsteueraufkommen anschauen und fragen: Welchen Anteil hieran hat die Lohnsteuer? Welchen Anteil zahlen die Unternehmen? Welcher Anteil wird durch die Umsatzsteuer gezahlt? Welchen Anteil leisten die Vermögenden? – Das ist genau der Punkt: Wir leben in einem Land, in dem Vermögen nicht besteuert wird. Ich finde, das ist schon ein Problem.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ein Blödsinn!)

Wir können jetzt lange über die Erbschaftsteuer reden,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, da bin ich dafür!)

doch muss man schon ordentlich erben, um überhaupt einmal in die Verpflichtung zu kommen, wirklich Erbschaftsteuer zu zahlen.

Eben ist von Frau Arnoldt noch einmal geäußert worden – ich weiß nicht mehr so genau, wie Sie es ausgedrückt haben –, dass unser Antrag quasi unserer sozialistischen Gesinnung Ausdruck verleihe. Ich schäme mich meiner sozialistischen Gesinnung nicht. Dazu stehe ich; das wissen Sie. Aber ich will darauf hinweisen, dass die Vermögensteuer leider nicht einmal der erste Schritt hin zum Sozialismus wäre. Sie wissen ja, dass sie noch unter Helmut Kohl erho

ben wurde. Ich würde sagen, Helmut Kohl war jetzt nicht unbedingt ein sozialistischer Politiker.

Von daher, glaube ich, ist eine vernünftige Besteuerung von Vermögen sinnvoll, um sozialer Ungleichheit zu begegnen, aber auch um mehr Einnahmen zu haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie wollen eine Systemveränderung, oder?)

Vorhin haben wir wieder über das Gesundheitssystem geredet; wir reden über die Infrastruktur oder über Bildung; und immer wieder kommt der Punkt: Am Ende muss es finanziert werden, und am Ende muss das Geld da sein. – Ich finde, daher muss man schon fragen, ob es Möglichkeiten gibt, dass wir die Menschen, die wirklich viel Geld haben, stärker an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich finde, wir sollten erst einmal alle Ferienhäuser in Frankreich enteignen!)

Da muss man sicherlich über Unternehmen reden. Das hat Frau Arnoldt gemacht. Aber diese Argumentation, dass die Vermögensteuer Unternehmen schaden würde, haben wir bei der Erbschaftsteuer ganz genauso. Dazu, wie man das vernünftig hinbekommen kann, gibt es aber Regelungen.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich finde, wir sollten erst einmal alle französischen Ferienhäuser und Weinkeller enteignen! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nur kein Neid! – Michael Boddenberg (CDU), zur SPD gewandt: Herr van Ooyen stellt erst einmal sein Ferienhaus in Frankreich und seinen Weinkeller zur Verfügung!)

Ich will nur darauf hinweisen, da wir die Situation haben, wo das Vermögen der beiden reichsten Familien in Hessen die hessische Staatsverschuldung fast übersteigt, wo das reichste Geschwisterpaar dieser Republik im letzten Jahr über 900 Millionen € allein über Dividenden für BMWAktien eingenommen hat – die haben kein Auto gebaut, sondern geerbt –, dass dann doch die Frage erlaubt sein muss,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist Klassenkampf pur!)

zumal wir in einer Landeshauptstadt sind, wo viele Millionäre leben, aber gleichzeitig jedes vierte Kind in Armut lebt, wie man hier endlich zu einer vernünftigen Umverteilung kommt, damit wir in diesem reichen Land nicht dauernd eine Debatte darüber führen, dass wir uns gut finanzierte Krankenhäuser und vernünftige Straßen sowie einen guten ÖPNV angeblich nicht leisten können. Deswegen, finde ich, ist die Vermögensteuer dafür nach wie vor ein sinnvolles Instrument.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE soll dem Haushaltsausschuss überwiesen werden. – Jawohl, das machen wir so.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 14 auf: Antrag der Fraktion der SPD betreffend Rückkehr des Landes Hessen

in die Tarifgemeinschaft der Länder, Drucks. 19/4498. – Moment, zur Geschäftsordnung.

(Holger Bellino (CDU): Einer geht noch!)

Einigt euch einmal, ihr dort unten.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein, morgen!)

Also, hier steht es auf der Tagesordnung. Sollen wir unterbrechen, damit ihr euch besprechen könnt, oder wie machen wir weiter?

(Günter Rudolph (SPD): Nein!)

Also, wenn der Antragsteller Nein sagt, dann behandeln wir diesen Punkt heute nicht mehr.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es! Wir hatten ihn eingebracht; so war es besprochen!)

Wenn ihr es so besprochen habt, dann müsst ihr es notfalls auch einmal nach hier oben signalisieren, damit man Bescheid weiß. Fertig, aus, der Punkt kommt weg.