Wir stellen fest, dass junge Flüchtlinge sich als Minderjährige ausgeben, obwohl sie über 18 Jahre alt sind. Wir wissen, dass die Jugendämter in diesen Fällen durchaus handeln. Dafür gibt es ein sehr gutes Beispiel. In Dortmund wurden 70 % der Anträge auf Inobhutnahme abgelehnt. Es gibt das gestufte Verfahren zur Altersfeststellung aus Prüfen von Dokumenten. Der Kollege Yetim hat Ihnen die persönliche Inaugenscheinnahme etwas ausführlicher dargelegt. Eine ärztliche Untersuchung ist in Zweifelsfällen angemessen. Auch da gehört zum mehrstufigen Verfahren.
Vielleicht sollten wir uns noch einmal in Erinnerung rufen, dass unser Integrationsminister Joachim Stamp zu Recht eine Expertenkommission beim Bundesministerium für Gesundheit gefordert hat. Es ist nur richtig, diese aus Juristen und Ärzten zusammenzusetzen. Diese sollen gemeinsame Standards für Bund und Länder erarbeiten, insbesondere für die Altersfeststellung. Dies ist der richtige Weg mit der richtigen Zusammensetzung. Warum? – Mediziner sind am besten in der Lage, zu beurteilen, was medizinisch angemessen, aber auch ethisch vertretbar ist. Genauso wichtig sind die Juristen, weil sie bewerten können, was unter Wahrung der Menschenwürde und des besonderen Schutzbedürfnisses der Minderjährigen rechtlich möglich ist.
Deswegen halten wir es für sinnvoll, diese gemeinsamen Standards in diesem Rahmen zu erarbeiten, entsprechend auch im Bundesministerium für Gesundheit, um ein transparentes, faires und effizientes Verfahren zu bekommen. Wir dürfen eben nicht in einen wilden Aktionismus verfallen und am Ende nur angstgetriebene Ressentiments befriedigen. Wir brauchen vielmehr Lösungen, die rechtlich, medizinisch und methodisch sauber sind. Diese werden erarbeitet, und dann muss man entscheiden, wo es erforderlich ist, Gesetze zu ändern.
gen zu erarbeiten und die Menschen nicht unter Generalverdacht zu stellen. Wir möchten die Menschenwürde wahren, wir möchten aber auch die berechtigten Interessen des Sozialstaates berücksichtigen. Dies alles ist kein Widerspruch für uns. So werden wir auch an einer fairen, rechtsstaatlichen und wirksamen Neuordnung der Altersfeststellung arbeiten, werden der Überweisung zustimmen, Ihren Antrag aber im Ausschuss ablehnen. – Danke schön.
Die Vorredner, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der FDP und SPD, haben noch einmal verdeutlicht, dass man über Altersfeststellungsverfahren reden kann. Wer aber über Altersfeststellungsverfahren ernsthaft und fern von Stimmungsmache, Hetze und Populismus sprechen will, der darf nicht ausblenden, dass erstens eine exakte Altersbestimmung medizinisch gar nicht möglich ist
und zweitens unsere Gesetze, und das zu Recht, der Würde des Menschen, der körperlichen Unversehrtheit und dem Wohl des Kindes oberste Priorität einräumen.
Dass in NRW und bundesweit keine regelhafte medizinische Untersuchung an minderjährigen Flüchtlingen vorgenommen wird, resultiert eben genau aus der Abwägung dieser genannten Prämissen.
Wir haben einen gesetzlichen Ablauf zur Altersfeststellung, bei dem der Gesetzgeber ein dreistufiges Verfahren vorsieht. Das wurde hier mehrmals vorgetragen. Die erste Stufe ist die Einsichtnahme in Einreisedokumente, die zweite Stufe ist die qualifizierte
Inaugenscheinnahme. Ich finde, dass meine Kolleginnen von der CDU und der SPD, aber auch Herr Lenzen von der FDP sehr genau dargelegt haben, dass die qualifizierte Inaugenscheinnahme eben mehr ist als nur ein Angucken, sondern dass da eigentlich noch mehrere Faktoren hinzugezogen werden sollen, um ein Gesamtbild zusammenzusetzen.
Die dritte Stufe ist schließlich die ärztliche Untersuchung mit der Einwilligung des Betroffenen und des Vormundes. Hier kommen beispielsweise eine Begutachtung der äußerlichen Merkmale, Röntgenaufnahmen von Hand oder Schlüsselbein oder eine zahnärztliche Untersuchung in Betracht.
Eine Weigerung des Betroffenen, sich dieser Untersuchung zu unterziehen, darf tatsächlich nicht automatisch dazu führen, dass die Volljährigkeit der Person angenommen wird. Es stimmt aber eben nicht, wie im AfD-Antrag angedeutet, dass durch eine Weigerung keinerlei negative Rückschlüsse für die betroffene Person gezogen würden, denn bereits jetzt kann in einem Zweifelsfall die Weigerung der Untersuchung sehr wohl als zusätzliches Kriterium über die Entscheidung der Volljährigkeit herangezogen werden.
Meine Damen und Herren, wir halten das bisherige gesetzliche Instrumentarium daher für ausreichend, zumal die medizinische Altersfeststellung bereits ausdrücklich für Zweifelsfälle vorgesehen ist.
Was will nun der vorliegende AfD-Antrag? – Die AfD will, das abwägende und dreistufige Verfahren zur Altersfeststellung abschaffen und dafür eine medizinische Untersuchung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zwingend vorschreiben.
Frau Kollegin Aymaz, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche, aber es gibt wiederum den Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar dieses Mal von Herrn Kollegen Seifen.
Dabei sollen alle Untersuchungsmöglichkeiten genutzt werden. Das heißt, dass einreisende Kinder und junge Menschen reihenweise in einer erniedrigenden Prozedur wie zum Beispiel durch Begutachten der Genitalien hinsichtlich ihres Alters untersucht werden sollen. Also ein Verfahren, das mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren ist, zusätzlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit abspricht und auch die Gefahr einer Retraumatisierung von Kindern und Jugendlichen birgt. Das ist für uns absolut inakzeptabel.
Lassen Sie mich an dieser Stelle, meine Damen und Herren, noch einmal auf Artikel 1 unseres Grundgesetzes hinweisen. Darin heißt es:
Damit sind alle Menschen gemeint, auch die Würde der Menschen aus Afghanistan, Syrien, Marokko, Somalia, Albanien, Algerien und aus dem Irak. Auch die Würde der muslimischen Menschen ist unantastbar, meine Damen und Herren.
Dass im AfD-Antrag die Religion und die Zugehörigkeit der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge explizit genannt und hervorgehoben wird, verdeutlicht doch wieder einmal mehr, dass es Ihnen hier eben nicht um eine sachliche Verfahrensdebatte gehen soll, sondern um Stimmungsmache und den Versuch, wieder einen Tabubruch durch die Aushebelung unserer Verfassung zu begehen.
(Helmut Seifen [AfD]: Muss Herr Palmer bald Ihre Partei verlassen? – Berivan Aymaz [GRÜNE]: Ich halte es lieber mit Boris Becker als mit Boris Palmer, der ganz deutlich dazu aufruft, auf der Straße gegen Rassismus vor- zugehen! – Beifall von den GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Zwischenrufe, die ich von der Regierungsbank permanent hören muss, weil ich mich dem nicht entziehen kann, fällt es mir schwer, darauf nicht einzugehen und sachlich zu bleiben. Ich will es trotzdem versuchen.
Frau Präsidentin! Kinder und Jugendliche, die allein nach Deutschland kommen, sind eine besonders schutzbedürftige Gruppe. Kinder und Jugendliche, egal ob hier geboren und aufgewachsen oder zugewandert, haben besondere Bedürfnisse und besondere Rechte. Sie haben deshalb auch einen Anspruch darauf, dass politische Diskussionen über ihre Belange mit besonderer Sorgfalt und Verantwortung geführt und entschieden werden. Dafür müssen die Grundlagen klar sein.
UN-Kinderrechtskonvention, europäischer Konventionen und der anerkannten Grundsätze des Kinder- und Jugendrechts.
Zweiter Grundsatz: Gerade wegen der erheblichen Rechtsfolgen bedarf es allerdings in Zweifelsfällen einer qualifizierten Klärung, wer minderjährig ist. Das ist für uns nicht neu, meine Damen und Herren. Die Altersfeststellung junger Flüchtlinge ist eines der meist diskutierten Themen in der Fachwelt und unter Praktikern, und das nicht erst seit gestern.
Bei der Altersfeststellung, bei den Verfahren und der praktischen Umsetzung besteht Verbesserungsbedarf.
Das betrifft nicht nur, aber gerade auch die Klärung medizinischer Verfahren, ihrer Standards, ihrer Möglichkeiten und Grenzen. Ich habe deshalb vorgeschlagen, unverzüglich unter Federführung des Bundesgesundheitsministeriums eine Expertenkommission aus Ärzten und Juristen einzusetzen, um uns auf gemeinsame Standards zu einigen.
Bund und Länder müssen unter Beteiligung des Gesundheitswesens und der Jugendhilfe enger zusammenarbeiten.
Wir brauchen bundeseinheitliche Standards und bundeseinheitliche Verfahrensweisen, die überall in Deutschland gleichermaßen angewendet werden. Deshalb ist es notwendig, auf eine solche Angleichung hinzuarbeiten.
Meine Damen und Herren, die Altersfeststellung selbst ist schon jetzt im SGB VIII gesetzlich geregelt und obligatorisch vorgegeben. Die Feststellung der Minderjährigkeit ist bereits zwingende Voraussetzung für die Inobhutnahme junger Flüchtlinge.