Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

Mit dem EU-Forstaktionsplan versucht die EU-Kommission die Forstpolitik ihrer Mitgliedstaaten zu koordinieren bzw. gewisse Normen zu setzen. Dies kann sie nur - das sage ich ausdrücklich - in einem appellierenden Rahmen, da die Kompetenz in der Forstpolitik bei den Mitgliedstaaten und in der Bundesrepublik bei den Bundesländern liegt.

Nichtsdestotrotz zeigt diese Initiative also die Ambition der Europäischen Union, auch dieses Politikfeld mitzugestalten, es aber wahrscheinlich - ich will es ausdrücklich sagen - noch nicht an sich zu ziehen. Sie tastet sich quasi heran und wird in einigen Jahren - davon kann man ausgehen - auch hier ihre Kompetenzen ausweiten, ähnlich wie in den Bereichen Sport und Medien.

Es ist schon verwunderlich, dass die Forstpolitik nicht Bestandteil der gemeinsamen Agrarpolitik ist. Das kann man gut oder schlecht finden. Das spielt aus meiner Sicht aber eine untergeordnete Rolle, weil die Mitgliedstaaten früher oder später in Zugzwang kommen werden. Glücklicherweise stehen die Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter früher auf; sie können also schon im Wald sein, bevor die anderen den Schuss gehört haben.

Auf jeden Fall bietet der EU-Forstaktionsplan mit seinen wenn auch vage gehaltenen Schlüsselaktionen einen Blick auf den Zustand im Wald. Er bietet ihn nicht nur, sondern er fordert ihn sogar ein. In diesem Jahr ist eigentlich eine Halbzeitbilanz gefordert, worauf man in Deutschland aber offensichtlich noch nicht vorbereitet ist.

Der Zustand in unseren Wäldern ist hinlänglich bekannt. Laut Waldzustandsbericht 2008 sind 26 % der bundesdeutschen Waldflächen geschädigt. Maschinengerechte Einheitsforste nehmen zu, sie forcieren Monokulturen und sind auf eine schnelle Holzernte und einen hohen Gewinn ausgerichtet. Ich möchte allerdings ausdrücklich hinzufügen, dass eine Zielsetzung des EU-Forstaktionsplanes auch die Wettbewerbsfähigkeit ist.

Es muss also gehandelt werden und es müssen Maßgaben und Mindeststandards zum Schutz des Waldes festgeschrieben werden. Das kann man weder in Studien noch in Feierstunden zur Umweltallianz tun. Im Landesentwicklungsplan fehlen konkrete Ziele. Die Leitlinie Wald ist nicht aktualisiert.

Inzwischen hat das Land eine Politik betrieben, die - ich sage es vorsichtig - der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Forstleute am Samstag in Hundisburg als chaotisch bezeichnet hat. Es gibt aufgrund der Strukturen derzeit vier verschiedene Ansprechpartner, bald fünf. Es gibt keinen Einstellungskorridor, beim LPF fehlt mittleres Personal und, und, und.

Die AG Klimawandel der Landesregierung hat im Februar 2009 bereits ihren zweiten Zwischenbericht vorgelegt. Die übersichtlichen Aktionen im Forstbereich werden ohne Angaben zu der Zeit oder zu den Verantwortlichen kurz erwähnt.

Wir brauchen aus der Sicht der LINKEN ein Konzept mit ökologisch anspruchsvollen Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung. Auch der Nabu fordert, bis zum Jahr 2020 mindestens einen Anteil von 5 % der Waldfläche als ungenutzten Rückzugsraum zu schaffen.

Wir fordern deshalb in einem Konzept eine ökologische Fortschrittsklausel, die den ökologischen und sozialen Schutz vor die Wirtschaftsinteressen stellt. Letztere haben eine starke Lobby in der Praxis. Wir brauchen ein Konzept zur energetischen stofflichen Nutzung von Holz unter Einhaltung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Dies ist erstellbar und es ergibt Sinn, es bis zu den Haushaltsverhandlungen 2010/2011, wie von uns erbeten, vorzulegen.

Die EU ist geprägt vom ländlichen Raum. Neben der Landwirtschaft, dem Gartenbau und der Fischerei ist die Forstwirtschaft ein wichtiger Bestandteil der Agrarwirtschaft und des Lebens auf dem Land. Neue Einkommensquellen dieser Branchen müssen gestärkt und damit dem ländlichen Raum eine möglichst bessere Zukunft gegeben werden. Der Wald bietet als natürliche

Ressource durch seine nachhaltige Bewirtschaftung Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten.

Sicherlich würde eine Konvention auf der EU-Ebene helfen, auch in Deutschland die Wald- und Forstwirtschaft zukunftsfähiger auszurichten und dabei dem alten forstlichen Prinzip der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Es bedarf einer Konvention auf EU-Ebene, die den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Anforderungen gleichermaßen gerecht wird und aus unserer Sicht eine Partizipation der Bürgerinnen und Bürger stärker unterstützt.

Das würde ich mir auch für die Ebene der Bundesrepublik Deutschland wünschen. Eine solche Konzeption fehlt hier. Eine diesbezügliche Definition kann in das Bundeswaldgesetz ohne Schwierigkeiten eingefügt werden.

Zunächst aber muss Sachsen-Anhalt ein Konzept erstellen, weil es in der Länderhoheit liegt, wie der EU-Forstaktionsplan umgesetzt wird, wie weit die Ziele und Schwerpunkte im Land übereinstimmen und wie die Maßnahmen des Landes mit den Schlüsselaktionen des EU-Forstaktionsplanes korrespondieren.

Es gibt zwei Alternativanträge, was sehr selten ist. Das bedeutet wohl, dass unser Antrag pädagogisch äußerst wertvoll sein muss.

(Herr Tullner, CDU: Für wen?)

Aber, meine Damen und Herren von SPD und CDU und lieber Kollege Johann Hauser, eine Berichterstattung über die Leitlinie Wald ist wohl der zahnloseste Tiger als Antwort auf eine Bitte der EU, der die Bundesrepublik zugestimmt hat. Die Agrarministerkonferenz hat es am 20. April 2007 in Weißkirchen zur Kenntnis genommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Czeke. - Bevor die Beiträge der Fraktionen hören, erteile ich Ministerin Frau Wernicke das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat bereits im Jahr 1997 ein umfassendes Konzept für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung erarbeitet. Die Leitlinie Wald ist eben genannt worden. In den Thesen zur Leitlinie Wald heißt es:

„Wald ist im globalen Ausmaß gefährdet. Wichtigste politische Aufgaben zur Begrenzung der Gefährdung des Waldes sind die konsequente Fortführung der Maßnahmen zur Minderung der Schadstoffbelastung und zum Klimaschutz sowie die Erhaltung und nach Möglichkeit Erweiterung der Waldfläche.

Es wird auf eine ökogerechte Waldbewirtschaftung als Strategie orientiert, welche die Nutzung des Waldes für die vielfältigen Bedürfnisse des Menschen zum Ziel hat, sich dabei aber nach der ökologischen Gesetzmäßigkeit der Waldentwicklung richtet, die natürlichen Prozesse weitgehend nutzt oder behutsam steuert.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, das hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Die Leitlinie Wald ist für den Landeswald verbindlich. Für alle anderen Waldbesitzer wird sie als Orientierung empfohlen. Die Waldbesitzer haben diese Empfehlung aufgegriffen. Nicht nur der Waldbesitzerverband, sondern auch die Naturschutzverbände stehen rückhaltlos hinter der Leitlinie Wald.

Ich sehe deshalb keinen Grund, ein neues Konzept zur Nutzung von Holz unter Einhaltung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung zu erarbeiten. Bei uns ist die Leitlinie Wald nach wie vor die Grundlage der Waldbewirtschaftung, die auch in Konzepten und Studien mit thematischen Berührungspunkten selbstverständlich Eingang findet.

Beispielhaft möchte ich die Biomassepotenzialstudie aus dem Jahr 2007 nennen, die die unter derzeitigen technischen Möglichkeiten nutzbaren Biomassepotenziale analysiert, selbstverständlich auch das Potenzial Holz. Ich will die Biodiversitätsstrategie nennen, die die Festlegung zum Ziel hat, einen Anteil von 5 % der Landeswaldfläche von der Nutzung auszunehmen. Diese Strategie liegt im Land längst vor.

Eine andere Studie in diesem Zusammenhang ist die Clusterstudie „Forst und Holz Sachsen-Anhalt“, die die Wettbewerbsfähigkeit der Forst- und Holzwirtschaft in unserem Land stärken soll. Hierzu wurden die inneren Strukturen, die Betriebe, die Umsätze, die Beschäftigungszahlen und die wirtschaftlichen Potenziale analysiert, die möglichen Holzaufkommen bei Unterstellung verschiedener Bewirtschaftungsstrategien für einen Zeitraum von 30 Jahren prognostiziert und die wesentlichen Einflussfaktoren auf das zu erwartende Nutzungsverhalten der Forstbetriebe aufgezeigt.

Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für eine gemeinsame Betrachtung sämtlicher Wirtschaftsbereiche des Forst-, des Holz- und des Papiersektors, um die gegenwärtigen und die künftigen Chancen und Risiken im Wettbewerb, vor allem aus der Sicht der Rohstoffverfügbarkeit, aufzuzeigen und Strategien zur Optimierung der Wirtschaftsprozesse konzipieren zu können. Mit einer Nachfolgestudie werden diese Aussagen weiter präzisiert und konkrete Handlungsfelder aufgezeigt.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße durchaus das Interesse des Landtages an der nachhaltigen Waldbewirtschaftung und -nutzung. Ich denke, das kommt in allen Anträgen zum Ausdruck.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Ich meine aber, dass wir keine neuen Konzepte benötigen. Ich habe einige Konzepte genannt, die im Land vorliegen. Man muss sich nur mit Ihnen befassen. Ich bin gern bereit, über diese Konzepte zu berichten, wenn es noch nicht als Erkenntnisprozess bis zu Herrn Czeke gelangt ist.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Das hätten Sie jetzt nicht sagen sollen!)

Ich bin mir sicher, dass ich mit der Berichterstattung in den Ausschüssen deutlich machen kann, dass wir auch bei der Umsetzung des EU-Forstaktionsplanes auf einem guten Weg sind. Insofern bitte ich darum, dem Alternativantrag der Regierungsfraktionen zuzustimmen. Dieser geht etwas weiter als der Antrag der FDP-Fraktion, aber er hat im Grunde die gleiche Intention. Ich

freue mich auf die Unterrichtung und auf die Diskussionen in den Ausschüssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin Wernicke. - Nun folgen die Beiträge der Fraktionen. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Barth. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin hat es eigentlich schon gesagt, aber ich möchte es an dieser Stelle wiederholen; denn die Wiederholung ist die Mutter der Weisheit. Herr Czeke, vielleicht lernen Sie noch etwas dazu.

Wir haben ein Landeskonzept für eine nachhaltige Holznutzung, nämlich die Leitlinie Wald. Diese Leitlinie gibt es bereits seit dem Jahr 1997. Sie ist mit ihren vier Kapiteln durchaus umfangreich und weist wesentliche Punkte auf. Zudem gibt es die bereits genannte Biomassepotenzialstudie sowie die Clusterstudie „Forst und Holz in Sachsen-Anhalt“. Wenn man diese drei Dinge zusammenfasst, dann ist es bereits ein Konzept. Man müsste es vielleicht in einer geeigneten Form zusammenfassen oder bündeln, um ein geeignetes Konzept zu erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten den Wald schonen und auf das von der Fraktion DIE LINKE geforderte Landeskonzept verzichten. Lassen Sie uns lieber die Umsetzung der Leitlinie Wald ins Visier nehmen und im Zusammenhang mit dem EU-Forstaktionsplan in den Ausschüssen beraten.

Die vier Hauptziele des EU-Forstaktionsplans sind bereits Bestandteil der Leitlinie Wald. Ob Erkenntnisse hinsichtlich der Umsetzung gegebenenfalls eine Weiterentwicklung erfordern, sollten wir in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der doch sehr spezifischen Materie in den Ausschüssen klären.

Abschließend möchte ich noch darauf verweisen, dass sich gerade im Hinblick auf die Nachhaltigkeit - ich betone die Nachhaltigkeit - im Forstbereich in der großen Koalition eine ganze Menge getan hat. Die Waldpädagogik in Sachsen-Anhalt läuft vorbildlich. Die SPD-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass diese Aufgabe langfristig im Landeswaldgesetz festgeschrieben wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Landesregierung hat nach vielen Jahren Anlauf vor wenigen Monaten das Gebiet Karstlandschaft Südharz gemäß Landesrecht zum Biosphärenreservat erklärt, wenngleich die Erklärung noch nicht in Kraft getreten ist.

Mit dem Gesetz zur Änderung umweltrechtlicher Vorschriften soll das Kahlschlagverbot von 4 ha auf 2 ha gesenkt werden. Es ist also mitnichten so, dass sich in der Forstpolitik nichts bewegt. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Barth. - Nun spricht Herr Hauser für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können die Sache ganz unaufgeregt abhandeln. Die Anträge bzw. die Alternativanträge zeugen von der Wichtigkeit des Themas und von interessanten Diskussionen. Die Leitlinie Wald ist bereits im Jahr 1997 als Entwurf mit allen möglichen Verbänden sowie mit namhaften und sehr kompetenten Wissenschaftlern intensiv beraten worden. Ich sage das wohlweislich und neidlos; denn die FDP-Fraktion war damals nicht im Parlament vertreten.

Es ist nachzulesen, dass das Ergebnis von allen mit der Materie befassten Gruppierungen und von allen politischen Parteien anerkannt und akzeptiert wurde. Ich sage hier einmal ganz frei: Ob das heute noch so hinzubekommen wäre, bezweifle ich.

Deshalb hält es die FDP-Fraktion für richtig, die Leitlinie Wald in der Etappe zu diskutieren und zu kontrollieren, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Lieber Harry Czeke, ob wir in Bezug auf den Wald auf dem Holzweg sind, weiß ich nicht. Das werden wir sehen.

Gerade im Hinblick auf den Wald, dessen Entwicklungs-, Aufwuchs- und Ernteintervalle sowie Bewirtschaftungszeiträume beim Nadelwald über drei Generationen hinweg andauern, also 90 bis 100 Jahre, und beim Laubwald bis zu 200 Jahre oder sogar mehr als 200 Jahre betragen, sollte man nicht immer neuen Zeitgeistern verfallen. Ich muss es immer wieder sagen: Gerade in der Waldwirtschaft kalkulieren wir über Jahrzehnte und nicht über Jahre hinweg.

Lieber Kollege Czeke, ob man die Agrarwirtschaft und die Forstwirtschaft auf der EU-Ebene vergleichen kann - - Ich nenne einmal zwei Unterschiede: Für die Forstwirtschaft gibt es null Komma null Subventionen - vielleicht bis auf den Wegebau oder derartige Bereiche. In der Holzproduktion - ich weiß nicht; vielleicht können wir es benennen - gibt es keine Subventionen. Ob die Agrarwirtschaft und die Holz- oder Forstwirtschaft so eng verzahnt sind, ist von Region zu Region total verschieden. Ich wäre also vorsichtig.